Psychotipps finde ich super – und ich selbst teile so viele, wie ich kann. Mit meinem Podcast „Psychologie to go!“ bin ich angetreten, um fundiertes Psychologiewissen verständlich und alltagsnah möglichst vielen Menschen zukommen zu lassen, für mehr Zufriedenheit und Glück im Leben. Das gleiche gilt für mein Buch, in dem ich Tipps zum Umgang mit Angst, Depressionen und Alkoholabhängigkeit teile. ABER ein Podcast ist keine Therapie. Ein Buch ist keine Therapie. Und auch, wenn wir uns nach Abkürzungen und „schneller Heilung“ sehnen (und nicht wenige Scharlatane genau das versprechen) – es gibt sie schlicht und einfach nicht. Etwas unpoetisch vielleicht, aber dennoch wahr: Wir alle sind ein mehr oder weniger vertüddeltes Wollknäuel. Da braucht es Zeit, Geduld und Fingerspitzengefühl, es zu entwirren. Nach ungefähr 15.000 Therapiesitzungen mit den unterschiedlichsten Menschen kann ich folgendes sagen:
1. Es gibt nicht das EINE Ding, das alle Probleme löst. Wie sehr wünschen wir uns, dass es diesen geheimen Schalter gibt, diesen einen Zaubertrick, der alles in Ordnung bringt. Den einen Menschen, die eine Methode, die eine Coachingsitzung. Die eine Erkenntnis, die eine Entscheidung, das eine „Klick“ im Kopf. Aber die Wahrheit ist, dass es so etwas nicht gibt. Unsere Probleme sind oft komplex und vielschichtig. Jeder von uns ist ein einzigartiges Individuum mit einer einzigartigen Lebensgeschichte und Erfahrung.
2. Jede Veränderung ist ein Prozess und gleichzeitig ein Mosaik aus vielen neuen Gedanken, Erfahrungen und Emotionen. Selten reicht es aus, nur schnell ein einziges Teilchen zu drehen und zu bewegen, um das ganze Bild zu verstehen. Wir brauchen Geduld und Zeit (und oft auch Anleitung), um die entscheidenden Teile zusammenzutragen.
3. „Über Nacht“- Ergebnisse sind selten; „Aha- Erlebnisse“ sind überbewertet. Ja, es gibt diese „Aha-Momente“, in denen uns plötzlich etwas klar wird. Aber diese Erlebnisse sind oft nur ein kleines Mosaiksteinchen im großen Bild unserer Persönlichkeitsentwicklung. Heutige Probleme verstehen zu können und auch die Ursachen zu kennen, löst sie nicht auf. Und reines kognitives Verstehen, selbst wenn es ein großes „AHA!“ ist, verändert die Gefühle nicht automatisch.
4. Niemand kann deine Psyche „behandeln“ wie ein verrenktes Bein. Psychische Gesundheit ist ein Inside-Job. Es ist eine innere Reise, die du selbst antreten musst. Unterstützung von außen – von Fachmenschen oder Lieblingsmenschen – kann hilfreich sein, aber letztlich musst du die Hauptarbeit leisten.
5. Mental Health ist nicht das gleiche wie Wellness. Ein Spa-Tag oder eine Massage kann unglaublich entspannend sein, aber echte psychische Gesundheit erfordert oft harte Arbeit. Es geht darum, sich seinen Ängsten zu stellen, unbequeme Wahrheiten zu akzeptieren und mutige Schritte in Richtung Linderung zu unternehmen. Therapie ist nicht immer angenehm, und kann schmerzhaft sein.
6. Sich aus jahrzehntelang etablierten Mustern zu lösen, ist eine Herausforderung. Es gibt einen Grund, warum wir in bestimmten Verhaltensmustern feststecken. Sie waren vielleicht einmal schützend oder nützlich. Ein therapeutisches Motto lautet: Klären vor Lösen – es geht also darum, uns selbst sehr gut kennen zu lernen, bevor wir Muster durchbrechen können. Und diese Zeit der Erkenntnis dürfen wir uns nehmen.
Unterm Strich: Nichts und niemand wird dich „heilen“ – und schon gar nicht schnell. Wenn du eine echte, nachhaltige Veränderung in deinem Leben möchtest, bereite dich auf die Reise der kleinen Schritte vor. Es ist eine Reise der Selbstentdeckung und des Wachstums. Es ist eine Reise des Mutes. Mach deine menatle Gesundheit zur Priorität in deinem Leben (nicht nur in den Therapiesitzungen). Überprüfe und ändere deine Gedanken. Wage es, neue Verhaltensweisen auszuprobieren und unbekannte Erfahrungen zuzulassen. Erlaube dir, all deine Gefühle zu fühlen – sowohl die guten als auch die schlechten. Umgib dich mit Menschen, die ähnliche Ziele haben, und nimm dir die Zeit, in Impulsen zu „marinieren“, die dich unterstützen und dir helfen, der Mensch zu werden, der du sein möchtest. Du verdienst es, ein erfülltes und glückliches Leben zu führen. Mach den ersten, kleinen Schritt.